Presse | Pressemeldung "Auftragshelfer"
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Auftragshelfer

06.08.2008 - IT-Lösungen, Krankenhausmatratzen und Bleistifte braucht das Land, Baupläne, Asphalt und belegte Brötchen: Für rund 350 Milliarden Euro kauft die öffentliche Hand in Deutschland jährlich ein, gut zehn Prozent des Einkaufskorbs füllen Städte, Gemeinden und Landesverwaltung in Hessen. Wollen Unternehmen den Zuschlag erhalten, müssen sie einige Hürden überwinden. Dabei unterstützt sie die Auftragsberatungsstelle Hessen: Die Institution der hessischen Industrie- und Handelskammern (IHKs) und Handwerkskammern (HWKs) berät Unternehmen seit 1954, wie sie am besten an öffentliche Aufträge herankommen. Dabei geht sie seit Ende vergangenen Jahres auch neue Wege.

Viele versuchen es gar nicht erst. Oder geben auf, weil sie an einem Formfehler gescheitert sind. "Seit den neunziger Jahren gibt es die Tendenz, dass sich kleine und mittlere Unternehmen vom Segment der öffentlichen Aufträge zurückziehen", stellt Brigitta Trutzel fest. Einen Grund sieht die Geschäftsführerin der Auftragsberatungsstelle Hessen im komplizierten Verfahren, das Unternehmen beachten müssen, wenn sie sich bei Kommune oder Land um einen Auftrag bewerben. Europäische Richtlinien und unterschiedliche Regelungen in den einzelnen Bundesländern machten das Regelgeflecht zusätzlich schwer durchschaubar. Dabei könne eine Bewerbung schon wegen eines kleinen Formfehlers durchs Raster fallen: wenn ein Nachweis fehle oder Zusätze gemacht würden, die überhaupt nicht gefordert waren.

Warum bin ich aus dem Bewerbungsverfahren ausgeschlossen worden? Das sei denn auch die häufigste Frage, die Unternehmer stellen. Gut 2.800 Betriebe wenden sich jährlich an die drei Vollzeit- und die drei Teilzeitbeschäftigten der Auftragsberatungsstelle in Wiesbaden – und fast genauso viele öffentliche Auftraggeber, berichtet Trutzel: Die Institution unterstützt beide Seiten, sieht sich als Mittler zwischen Wirtschaft und Staat. Denn nicht nur in der Wirtschaft gebe es Fragen zum Verfahren, auch die Kommunen seien oft unsicher, was sie beim Ausschreiben ihrer Aufträge alles beachten müssen. So wüssten viele noch nicht, dass sie seit November verpflichtet sind, ihre Ausschreibungen über die Hessische Ausschreibungsdatenbank (HAD) bekannt zu machen.

Unternehmer können dort kostenlos recherchieren, wo sich eine Bewerbung lohnen könnte. Daneben finden sie Informationen zu Rechtsvorschriften, Vergabeentscheidungen und Links zu anderen Datenbanken. Für dieses Konzept wurde die Auftragsberatungsstelle im Februar im Bundeswirtschaftsministerium mit dem Preis "Innovation schafft Vorsprung" ausgezeichnet.

Damit sich beide Seiten nicht nur schneller finden, sondern auch der Weg bis zur Auftragsvergabe einfacher wird, baut die Auftragsberatungsstelle seit November ein regionales Präqualifikationsregister (HPQR) auf. Unternehmen können damit Zeit und Kosten sparen, da sie ihre Eignung für öffentliche Aufträge nicht mehr bei jeder Bewerbung gesondert nachweisen müssen, nicht immer wieder von neuem Gewerbeanmeldung, Referenzobjekte, Erklärungen zur Steuerzahlung einreichen müssen: Sie erwerben ein Zertifikat, das in einer Datenbank von öffentlichen Auftraggebern eingesehen werden kann. Diese wiederum sparen sich den Aufbau einer eigenen Liste qualifizierter Betriebe und müssen nicht jedes Mal erneut sämtliche Unterlagen prüfen.

Auch bei der Finanzierung geht die Auftragsberatungsstelle neue Wege: Die hessischen IHKs und HWKs tragen nicht mehr die kompletten Kosten; seit diesem Jahr finanziert die Institution die Hälfte ihres Etats über kostenpflichtige Leistungen wie Seminare und weitergehende Rechtsberatung sowie über einen Zuschuss des Wirtschaftsministeriums. Neue Kunden sieht Trutzel in der Gesundheitsbranche: Seit Ende 2007 müssen auch die Krankenkassen ihre Leistungen öffentlich ausschreiben, das biete zum Beispiel Chancen für Medizintechnikunternehmen. Unternehmen, die im Rennen um öffentliche Aufträge ans Ziel kommen wollen, rät Trutzel, persönlichen Kontakt zu öffentlichen Auftraggebern zu halten, auf einen guten Internetauftritt zu achten und sich gegebenenfalls zu Bietergemeinschaften zusammenzuschließen – letztlich führe auch kein Weg daran vorbei, sich in die Grundzüge des Vergaberechts einzuarbeiten. Und schließlich, vor allem anderen: keine Scheu zu haben, sich zu beteiligen.



Text: Melanie Wilhelm, IHK Wiesbaden
m.wilhelm@wiesbaden.de