Sachverhalt: Der öffentliche Auftraggeber schreibt europaweit die Lieferung von CO2-Ampeln für Schulen in Sachsen aus. Gefordert ist der Nachweis von 3 vergleichbaren Referenzprojekte aus den letzten 3 Kalenderjahren. Im Rahmen einer Bieterfrage konkretisiert die Vergabestelle, dass für jedes einzelne Referenzprojekt die Liefermenge von mindestens 2000 zum Dauerbetrieb bestimmter Messgeräte nicht unterschritten werden dürfe. Bieterin B gibt ein Angebot ab und benennt 3 Referenzprojekte, ohne jedoch die konkrete Liefermenge mitzuteilen. Daraufhin fordert der Auftraggeber die Bieterin auf, ihre Angaben in Bezug auf die Liefermengen zu vervollständigen. B führt für die angegebenen Referenzen die jeweiligen Liefermengen an. Zudem fügt sie 3 weitere Referenzprojekte mit einer jeweiligen Liefermenge von über 2000 CO2-Ampeln bei. Der Auftraggeber schließt das Angebot aus, da keine der im Angebot benannten Referenzen die geforderte Stückzahl erreiche. Die neu aufgeführten Referenzen wurden nicht berücksichtigt. B rügt den Ausschluss des Angebots. Bereits die im Angebot genannten Referenzen seien technisch vergleichbar, auch wenn die Mindestliefermenge nicht erreicht worden sei. Mit weiteren Referenzen habe B zudem die Anforderung von 2000 Geräten pro Referenzauftrag nachgewiesen. B rügt außerdem, dass ihr Unternehmen präqualifiziert sei, der Auftraggeber jedoch von der gesetzmäßig gegebenen Möglichkeit, die Eignung mit einer Präqualifizierung nachzuweisen, keinen Gebrauch gemacht habe. Bei Einreichung der PQ-Urkunde hätte ein Ausschluss des Angebotes keine Grundlage gehabt. B stellt einen Nachprüfungsantrag vor der Vergabekammer. Beschluss: Ohne Erfolg. Es liegt im Ermessen des Auftraggebers, hinsichtlich der zu vergebenden Leistung Leistungsinhalt und -umfang zu definieren und zu konkretisieren, also auch Mindestanforderungen festzulegen, wie es sich aus Art. 58 Abs. 5 RL 2014/24/EU ergibt. Bieter, die diese Mindestanforderungen nicht erfüllen, sind zwingend wegen fehlender Eignung auszuschließen. B hat in ihrem Angebot an keiner Stelle auf die Präqualifizierung hingewiesen oder die PQ-Urkunde dem Angebot beigefügt. Hinsichtlich der Liefermenge erfüllt keine der dem Angebot beigefügten Referenzen die vom Auftraggeber festgelegten Mindestanforderungen von 2000 Geräten. Die Möglichkeit zur Nachforderung (vgl. § 56 Abs. 2 VgV) gilt nur für fehlende Erklärungen und Nachweise. Nicht jedoch, wenn diese, wie in diesem Fall, in inhaltlicher Hinsicht nicht zu den Mindestvorgaben passen. Jede Vorlage weiterer passender Referenzen wäre eine Nachbesserung des Angebots. Eine Nachbesserung widerspricht den Grundsätzen der Transparenz und Gleichbehandlung aller Bieter, daher ist das Angebot auszuschließen. Im Wesentlichen gilt dies auch für den nachträglich vorgebrachten Hinweis auf die Präqualifizierung. Im Rahmen der Prüfung des Angebots besteht für die Vergabestelle keine Verpflichtung und mangels Kenntnis auch keine Veranlassung, sich mit der Präqualifizierung von B auseinanderzusetzen. Die Vergabekammer kommt zu dem Urteil, dass weder die nachträglich vorgelegten Referenzen noch die nachträglich geltend gemachte Präqualifizierung im Rahmen der Eignungsprüfung zu berücksichtigen waren. In beiden Fällen wäre dies eine unzulässige nachträgliche inhaltliche Änderung des Angebots. Die Prüfung der beruf-lichen und technischen Leistungsfähigkeit muss zwingend auf Grundlage der im Angebot abgegebenen Referenzen erfolgen. Da diese die geforderte Mindestliefermenge nicht erreichten, waren sie nicht vergleichbar und das Angebot somit auszuschließen. Praxistipp: Präqualifizierte Unternehmen sollten dem Auftraggeber mit Angebotsabgabe die PQ-Urkunde bzw. die Zugangsdaten für die PQ-Datenbank mitteilen, auch wenn dies nicht explizit in der Bekanntmachung steht. Denn grundsätzlich müssen öffentliche Auftraggeber eine Präqualifizierung als Nachweis der Eignung akzeptieren. Versäumt es der Bieter jedoch, den Auftraggeber mit Angebotsabgabe über seine Präqualifizierung zu informieren, so sind die präqualifizierten Nachweise für die Prüfung irrelevant. Auftraggeber sind an die Anforderungen in der Bekanntmachung gebunden und dürfen nach Angebotsöffnung keine unaufgefordert eingereichten Nachweise mehr berücksichtigen. Bieter sollten daher konkrete Eignungsanforderungen in der Bekanntmachung immer sorgfältig prüfen. Wenn, wie in diesem Fall, konkrete inhaltliche Anforderungen an die Eignungsnachweise gestellt werden, sollten auch präqualifizierte Bieter die in der PQ-Datenbank hinterlegten Nachweise mit den Anforderungen des Auftraggebers abgleichen und ggf. dem Angebot ergänzende Nachweise hinzufügen. VK Sachsen, Beschluss vom 25.04.2023 (Az.: 1/SVK/010-23)
Die VK Sachsen-Anhalt hat sich in ihrer Entscheidung mit dem Thema der Präqualifikation, insbesondere mit der Frage „Nachweis der Eignung“ und „verpflichtenden Beachtung von Präqualifikationssystemen bei der
Eignungsprüfung durch den Auftraggeber“ beschäftigt.
Sachverhalt:
Ausgeschrieben waren Gebäudeinnenreinigungsleistungen in vier Losen in einem EU-weiten Offenen Verfahren. Der Auftraggeber hatte in der Bekanntmachung unter Ziffer III.1. zum Nachweis der wirtschaftlichen und finanziellen
Leistungsfähigkeit vorgegeben, dass neben der Vorlage der gültigen Einzelnachweise auch die Eintragung in das Unternehmer- und Lieferantenverzeichnis (ULV) der Auftragsberatungsstelle Sachsen-Anhalt bzw. in das
Amtliche Verzeichnis der IHKs (AVPQ) vorgelegt werden konnte. Zum Nachweis der technischen und beruflichen Leistungsfähigkeit war unter Ziffer III.1.3) der Bekanntmachung die Vorlage einer Referenzliste je beworbenen Loses
von mindestens drei mit dem Auftragsgegenstand vergleichbaren Leistungen gefordert. Laut Vergabevermerk sollte auf die Nachforderung von Unterlagen verzichtet werden. Bieter B wurde mit seinem Angebot auf alle vier Lose
ausgeschlossen, mit der Begründung, dass die vorgelegten Referenznachweise nicht der geforderten Form entsprächen. Bei den geforderten Angaben zu den Referenzen fehlten die Auftragswerte.
B rügt den Ausschluss seines Angebotes sowie die Unvollständigkeit und Fehlerhaftigkeit des Informationsschreibens nach § 134 GWB als vergaberechtswidrig. Der Nachweis der Eignung und des Nichtvorliegens von
Ausschlussgründen nach §§ 123, 124 GWB könne ausdrücklich ganz oder teilweise durch die Teilnahme an Präqualifikationssystemen erbracht werden. Auch den Vergabeunterlagen selbst könne keine Einschränkung entnommen
werden, dass die Verwendung eines Präqualifikationssystems auf bestimmte Bereiche oder Leistungsnachweise begrenzt oder sogar ausgeschlossen sei. Sollte dies dennoch beabsichtigt gewesen sein, wären die
Vergabeunterlagen unklar und nicht eindeutig. Den Angeboten sei das Zertifikat mit den entsprechenden Zugangsdaten beigefügt. Darauf sei auch im Angebotsschreiben explizit hingewiesen worden. Aus dem Zertifikat
ergebe sich eindeutig, dass für die in Rede stehenden Leistungsbereiche Referenzen hinterlegt seien. Diese beinhalteten alle geforderten Angaben einschließlich der Auftragswerte. Zudem gelte gemäß § 48 Abs. 8 VgV
die Eignungsvermutung. Danach könne die Eignung nur in begründeten Fällen in Zweifel gezogen werden. Solche Gründe seien hier nicht ansatzweise vorgetragen worden. Mit der Übermittlung der Nichtabhilfeentscheidung
teilte die Auftraggeberin B mit, dass die Vorlage einer Referenzliste je beworbenem Los gefordert gewesen sei. Die Gesamtzahl der präqualifizierten Referenzen hätte drei betragen. Die Angebote hätten sich jedoch
auf vier Lose erstreckt. Ferner seien mit dem Angebot unvollständige Referenzen eingereicht worden, sodass unter Einhaltung der Vergabegrundsätze die Verwendung der zusätzlichen präqualifizierten Referenzangaben
gegen den Gleichbehandlungsgrundsatz verstoßen würde, da die Vergabestelle von ihrem Wahlrecht gemäß § 56 Abs. 2 VgV Gebrauch gemacht und auf die Nachforderung von Unterlagen verzichtet habe. B wendet sich an die
zuständige Vergabekammer.
Beschluss:
Mit Erfolg. B habe den Nachweis der geforderten Referenzen je beworbenen Loses gemäß Zertifizierung erbringen können. Die Präqualifizierung
belege die Eignung des Bieters bezogen auf den konkreten präqualifizierten Leistungsbereich. Der Bekanntmachungstext sieht unter Ziffer III. 1.3) hinsichtlich der technischen und beruflichen Leistungsfähigkeit in Abweichung zu Ziffer III. 1.2) neben der Vorlage einer Referenzliste keine
weitere Möglichkeit eines Rückgriffs auf Angaben durch eine Präqualifikation vor. Der bloßen Nichterwähnung kommt allerdings keinerlei
rechtsgestalterische Auswirkung zu, der man mit einer Rüge zu begegnen hätte.
Ein Bieter oder Bewerber ist gemäß § 50 Abs. 3 Nr. 1 VgV von der Verpflichtung zur Vorlage ausdrücklich abgeforderter Unterlagen dann befreit,
wenn der öffentliche Auftraggeber diese Unterlagen über eine für diesen kostenfreien Datenbank innerhalb der Europäischen Union, insbesondere im
Rahmen eines Präqualifikationsverfahrens, erhalten kann. Ein Auftraggeber ist - unabhängig davon, ob er in der Bekanntmachung seine Bereitschaft
zur Umsetzung des § 50 VgV zum Ausdruck bringt - verpflichtet, dies zu tun. Der öffentliche Auftraggeber sei "gemäß § 122 GWB verpflichtet,
Bescheinigungen über die Teilnahme an ordnungsgemäßen Präqualifikationssystemen als Nachweis der Eignung und des Nichtvorliegens von
Ausschlussgründen zu akzeptieren. Durch sie wird die nahezu bei jeder Ausschreibung anfallende Prüfung bestimmter Eignungsnachweise
vorweggenommen, sodass der Anbieter im Rahmen eines konkreten Vergabeverfahrens keine Einzelnachweise mehr besorgen und vorlegen muss.
Bekräftigt werde dies insbesondere auch durch die Vorschrift des § 50 VgV. Das habe zur Folge, dass Bewerber bzw. Bieter die vom öffentlichen
Auftraggeber geforderten Unterlagen nur insoweit beizubringen haben, als der öffentliche Auftraggeber sie u. a. nicht über eine kostenfreie
Datenbank innerhalb der EU beziehen könne.
Dieser Grundsatz gilt generell für jegliche Anforderung von Eigenerklärungen oder sonstigen Unterlagen zum Zwecke der Prüfung der Eignung und des
Nichtvorliegens von Ausschlussgründen. B habe seinem Angebot das AVPQ-Zertifikat mit den entsprechenden Zugangsdaten beigefügt. Dieses beinhaltete
auch die Benennung von drei Referenzen, die alle von der Antragsgegnerin geforderten Angaben enthielten. Damit erwuchs vorliegend eine
Verpflichtung des Auftraggebers zur inhaltlichen Auseinandersetzung mit den Präqualifikationsunterlagen. Diese Verpflichtung spiegelt sich auch
in § 48 Abs. 8, der eine im Einzelfall widerlegungspflichtige Eignungsvermutung statuiert.
Auch die Tatsache, dass B seinen Angeboten eine weitere Liste mit Referenzen beigefügt habe, entlasse den Auftraggeber nicht aus dieser
Verpflichtung. Die Bieter waren nicht daran gehindert, weitere Referenzen vorzulegen, um ihre Leistungsfähigkeit entsprechend zu dokumentieren.
Dass die zusätzlich vorgelegte Referenzliste unstreitig nicht sämtliche geforderten Angaben enthielt, führte lediglich zu der Schlussfolgerung,
dass diese isoliert zur Feststellung der technischen und beruflichen Leistungsfähigkeit der Antragstellerin nicht herangezogen werden könne.
Das Verlangen nach Referenzprojekten für vergleichbare Leistungen bedeute nicht, dass das Leistungsbild der herangezogenen Aufträge mit dem
ausgeschriebenen Auftrag identisch sein müsse. Nach allgemeinen Bewertungsmaßstäben sei eine Referenzleistung vergleichbar mit der
ausgeschriebenen Leistung, wenn sie dieser so weit ähnelt, dass sie einen tragfähigen Rückschluss auf die Leistungsfähigkeit des Bieters für die
ausgeschriebene Leistung ermöglicht.
Praxistipp:
Der öffentliche Auftraggeber muss Bescheinigungen über die Teilnahme an ordnungsgemäßen Präqualifizierungssystemen als Nachweis der Eignung und des Nichtvorliegens von Ausschlussgründen akzeptieren. Ein Bieter oder
Bewerber ist von der Verpflichtung zur Vorlage ausdrücklich abgeforderter Unterlagen dann befreit, wenn der öffentliche Auftraggeber diese Unterlagen über eine für diesen kostenfreie Datenbank innerhalb der
Europäischen Union, insbesondere im Rahmen eines Präqualifikationsverfahrens, erhalten kann. Eine Referenzleistung ist vergleichbar mit der ausgeschriebenen Leistung, wenn sie dieser so weit ähnelt, dass sie
einen tragfähigen Rückschluss auf die Leistungsfähigkeit des Bieters für die ausgeschriebene Leistung ermöglicht. Eine Rügeerfordernis wird nicht ausgelöst, wenn im Bekanntmachungstext bei den
Eignungskriterien Präqualifizierungssysteme nicht genannt werden.
VK Sachsen-Anhalt, Beschluss vom Datum 26.06.2019 (Az.: 1 VK LSA 30/18)